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In Schach(lehr)büchern hat die Vermittlung der Verteidigungskunst stets eine untergeordnete Rolle gespielt - die Fertigkeiten in der Angriffsführung bzw. entsprechende Exempel hierfür dominieren die Schachliteratur seit jeher.
Es mag sein, dass Verteidigung unwillkürlich mit passivem Spiel oder gar drohendem Verlust assoziiert wird und daher Unbehagen hervorruft, aber vielerorts kann die Verteidigung durchaus aktiv oder aggressiv geführt, d. h. mit Gegendrohungen verknüpft werden oder im Falle einer erfolgreichen Durchführung den Auftakt eines Gegenangriffs bilden.
Das Verdienst von Hans Kmoch besteht darin, den essentiellen Aspekt der Verteidigung in der Schachpartie - aufbauend auf der Lehre von Wilhelm Steinitz - erstmals 1927 in Buchform thematisiert zu haben. Knapp 80 Jahre später liegt dieses Werk nun in der 5. Auflage vor, die zahlreichen Partiebeispiele aus der klassischen Ära wurden in jüngeren Auflagen durch aktuelle Partien ergänzt, so dass der heutige Leser das gesamte Spektrum der Verteidigungskunst und deren Entwicklung in über 100 Jahren kennen lernt.
Vorwort zur 5. Auflage:
Erst sehr spät in der Geschichte unseres Spiels ist die Verteidigung in ihrer ganzen Bedeutung erkannt und einem breiten Schachpublikum bewusst gemacht worden. Und als sich ein Schachbuch erstmals und ausschließlich dem Thema Verteidigung widmete - es war 1927 mit der Erstausgabe des vorliegenden Werks - sorgte diese Novität für ein beachtliches Echo aus der damaligen Schachszene. Bis heute sind Schachbücher zur Vermittlung und Förderung der Verteidigungskunst selten geblieben, so dass der Klassiker von Hans Kmoch, der nun seine 5. Auflage erlebt, auch dem Schachstudenten des 21. Jahrhunderts einen erheblichen Erkenntnisgewinn verspricht.
Johann Joseph Kmoch (* 25.07.1894 + 13.02.1973) - eigentlich nur als Hans Kmoch bekannt - war ein Wiener tschechischer Abstammung, ein durchaus respektabler Schachmeister (Internationaler Meister 1950; Internationaler Schiedsrichter 1951), der nach dem ersten Weltkrieg die Schachschriftstellerei zu seinem Beruf machte und durch etliche Bücher und noch weitaus zahlreichere Artikel (auch humoristischer Art) im Gedächtnis der Schachwelt haften blieb. Neben seinem Nachtrag zum "Bilguer" (1930) und seiner Partiensammlung zu Rubinstein (1933) zählt Die Kunst der Verteidigung zu seinen bekanntesten Publikationen, sein Spätwerk Die Kunst der Bauernführung (1956; 1967) leidet allerdings doch allzu sehr unter den skurrilen Wortschöpfungen seines Autors. Ansatzweise sind die letzteren auch in der "Verteidigung" zu entdecken (s. Kap. XII), diese "hausgemachte" Terminologie ist aber schlichtweg entbehrlich und hat zu Recht keine Akzeptanz in der Schachwelt gefunden. Die nach 24 Jahren anstehende Neuauflage der "Verteidigung" (1982; 1978; 1966) wurde wiederum leicht überarbeitet und in der Diktion verbessert, wo es angemessen und ratsam schien - wir hoffen, den Lesefluss hiermit günstig beeinflusst zu haben. Einige weitere Partien wurden aufgenommen, um die Verteidigungskunst mit Beispielen aus neuerer Zeit zu illustrieren.
Und nun viel Spaß mit der "Verteidigung" - wenn Sie diese erfolgreich meistern, sollten Sie zu einem ebenso erfolgreichen Angriff übergehen können!
Dr. Ralf J. Binnewirtz
Meerbusch, Sommer 2006